Was ist das: eine “Angststörung”?
„Ich möchte zunächst einmal betonen, das ‚Angst‘ zu haben, etwas ganz Normales ist, dass zu unserem Leben einfach dazugehört. Tatsächlich sichert die Angst unser Überleben. Durch das Gefühl der ‚Angst‘ können wir eine Situation als gefährlich einschätzen und laufen zum Beispiel nicht einfach auf eine Straße, wenn dort sehr viel Verkehr ist. Von einer „Angststörung“, die behandelt werden sollte, sprechen wir erst, wenn die Angst so stark wird, dass die Lebensqualität beeinträchtigt wird – zum Beispiel, wenn die Betroffenen Angst haben, das Haus zu verlassen, Bus zu fahren oder Einkaufen zu gehen“, erklärt Katharina Falk, Psychologische Psychotherapeutin und therapeutische Leitung der Psychosomatischen Station der DIAKO in Flensburg.
Angststörungen sind weit verbreitet
„Angststörungen gehören zu den häufigsten seelischen Störungen. 14 von 100 Erwachsenen sind betroffen. Die Angststörungen, die wir in der Fachklinik stationär behandeln, sind vor allem die Agoraphobie und die Panikstörung. Bei der Agoraphobie haben die Betroffenen Angst vor dem Aufenthalt an Orten, wo es keine schnelle Rückzugsmöglichkeit, also keinen einfachen Fluchtweg gibt. Dies können öffentliche Plätze oder Verkehrsmittel sein, aber auch volle Geschäfte oder Fahrstühle. Bei der Panikstörung treten für den oder die Betroffenen oft unvorhersehbar Panikattacken auf. Diese äußern sich zum Beispiel in Schweißausbrüchen, Atemnot, Herzrasen und Schwindel. Diese Symptome verstärken die Angst bis hin zu neuer Angst: vor einem Herzinfarkt oder sogar Todesangst“, ergänzt Dr. phil. Rauha Laurus, Psychologische Psychotherapeutin der DIAKO Fachklinik.
Zunahme von Angststörungen bei Mädchen im Jugendalter
„Aus der Erfahrung in unserer Klinik können wir nicht bestätigen, dass es aktuell zu mehr Angststörungen bei unseren erwachsenen Patientinnen und Patienten kommt. Es gibt aber Studien, die besagen, dass Mädchen im Jugendalter deutlich mehr von Angststörungen betroffen sind als vor der Pandemie. Eine DAK-Studie beziffert den Anstieg mit 24 Prozent, das ist sehr viel“, berichtet Katharina Falk.
(Referenz: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/pandemie-und-psyche-mehr-antidepressiva-fuer-maedchen-2572042.html#/ )
Therapie von Angst- und Panikstörungen
„Die ‚Angst vor der Angst‘ wird häufig zum eigentlichen Problem. Die Betroffenen fangen an, Situationen und Orte zu vermeiden, in denen eventuell eine Panikattacke droht. Das verstärkt sich weiter und die Betroffenen schränken ihr Leben immer weiter ein. Einige trauen sich gar nicht mehr aus dem Haus. Das stellt eine große Belastung für die Betroffenen und auch für die Angehörigen dar, die sich plötzlich in der Verpflichtung sehen, das alles auszugleichen, was die Betroffenen nicht mehr machen“, ergänzt Katharina Falk.
„In der Therapie finden wir zunächst zusammen mit den Patientinnen und Patienten heraus, welche Auslöser und Ursachen für die Ängste verantwortlich sind. In Info-Gruppen klären wir rund um das ganze Thema ‚Angst‘ auf, so etwa darüber, was im Körper bei einer Panikattacke vor sich geht und dass eine Panikattacke zwar sehr bedrohlich wirkt, aber tatsächlich keinen Herzinfarkt auslösen kann. Die biologischen Vorgänge sind in etwa so als ob wir Sport machen. Der Puls geht hoch, aber gefährlich ist es nicht. Schon das Wissen um diese Vorgänge ist oft sehr hilfreich.“
„Die Betroffenen haben in der Regel ein hohes Level an innerer Anspannung, denn sie sind ständig im ‚Fluchtmodus‘ oder anders ausgedrückt, haben sie Dauerstress. Und Dauerstress macht krank. Daher sind die Therapiebestandteile wichtig, die diese Anspannung reduzieren, das sind vor allem die Bewegungs- und Sporttherapie, kreative Therapien wie in der Ergotherapie, Musiktherapie und Entspannungstechniken.“
„Ein weiterer Therapiebaustein sind dann die so genannten ‚Expositionsübungen‘, dabei üben die Betroffenen abgestuft und zunächst in therapeutischer Begleitung, sich den angstauslösenden Situationen zu stellen. Dabei beginnen wir ganz einfach, je nach Art der Angst, zum Beispiel mit einem kurzen Aufenthalt im Freien. Man kann es sich so vorstellen, dass das Gehirn erst einmal Schritt für Schritt wieder lernen muss, eine ungefährliche von einer gefährlichen Situation zu unterscheiden. Dafür müssen die Betroffenen wiederholt die Erfahrung machen, dass sie die angstbesetzte Situation bewältigen können. Die gute Nachricht ist, dass das menschliche Gehirn auf diese Art der Therapie sehr gut anspricht. Die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie ist gut belegt und wird in den Leitlinien empfohlen.“
Angst ist ein Thema in der Familie? Was können Angehörige tun?
Angehörige wollen gern helfen. Aber wie? Und tut die Hilfe gut? Enge Angehörige sind bei allen psychischen Erkrankungen stets mit betroffen: Sie wollen das betroffene Familienmitglied unterstützen, dies kann sie aber auch selbst stark belasten. Was können sie tun, um zu helfen und sich selbst vor Überforderung zu schützen? Wir fragten unsere Psychotherapeutinnen Katharina Falk und Dr. phil Rauha Laurus:
„Wenn Sie Angehörige mit Angststörung haben oder dies vermuten, können Sie Folgendes für sie tun:
- machen Sie sich klar, dass eine Angststörung eine ernstzunehmende Erkrankung ist, die jedoch einer Therapie gut zugänglich ist
- informieren Sie sich über das Thema: Es gibt spezielle Internetseiten für Angehörige ( z.B. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/mediathek/videos/angststoerung/angststoerungen-hilfestellungen-fuer-angehoerige ), aber auch lokale Beratungsstellen sind meist sehr kompetent (z.B. vom Diakonischen Werk und andere)
- sprechen Sie innerhalb der Familie so offen über das Thema, wie es geht
- motivieren Sie das Familienmitglied dazu sich Hilfe zu suchen, z. B. über den/die Hausärzt*in oder eine Beratungsstelle
- zeigen Sie Verständnis und haben Sie Geduld, aber nehmen Sie dem betroffenen Familienmitglied nicht alles ab, wovor sie/er Angst hat, das verstärkt den Teufelskreis aus „Angst vor der Angst“
und dies können Sie für sich selbst tun:
- haben Sie keine Schuldgefühle, auch Ihre Gesundheit ist wichtig
- schränken Sie Ihr Leben nicht mehr als nötig ein, es hilft den Betroffenen nicht, wenn Sie z.B. ebenfalls keine Freunde mehr treffen, Höhen oder Menschenansammlungen meiden
- gehen Sie ausgleichenden Aktivitäten nach, wie Sport oder Hobbies
- suchen Sie sich selbst Hilfe, wenn Sie das Gefühl haben, dass die Situation Sie überfordert, wenden Sie sich z. B. an Beratungsstellen oder an Selbsthilfegruppen für Angehörige, auch Hausärzte / Psychotherapeutinnen (w,m,d) können Sie in Anspruch nehmen!"
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Bildunterschrift:
Angststörungen gehören zu den häufigsten seelischen Störungen. Vor allem Menschen mit Agoraphobie und / oder Panikstörung werden stationär in unseren Fachkliniken behandelt.
Im Interview: Katharina Falk, Dr. Rauha Laurus, Station H2: Schwerpunkt Psychosomatik der Flensburger Fachklinik)