Die Diagnose lautet „Emotional Instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus“?
Genauso so kompliziert wie es sich anhört ist es auch: Wir bitten unsere Expertinnen von der Station H2 der Flensburger Fachklinik um Aufklärung. Im Text kürzen wir das Ganze ab auf „BPD=Borderline Personality Disorder“, das ist englischer, aber nicht einfacher.
Welches sind die Symptome einer BPD? Und wie kommen die Betroffenen zu einer Diagnose?
„BPD ist eine komplexe psychische Erkrankung, die etwa bei 2-3 Prozent der Bevölkerung auftritt, dabei müssen aber nicht alle in einer Klinik behandelt werden“, erklärt uns Katharina Falk, Leitende Psychotherapeutin der „H2“ (=Psychosomatische Station) in Flensburg.
„Die Betroffenen haben oft ein Gefühlsleben, das einer Achterbahnfahrt gleicht – in einem Moment ist alles supertoll: die Freundschaft, die Beziehung oder der Job. Und im nächsten Moment kippt das Ganze in ein anderes Extrem: die Freund*in wird beschimpft, die Beziehung ist furchtbar und der Job das Allerletzte. Das sind nur Beispiele und das ist sehr anstrengend, für die Betroffenen und für die Menschen um sie oder ihn herum. Die Betroffenen haben daher häufig Probleme mit ihrem sozialen Umfeld:
„Eine BPD ist auch eine Störung der Interaktion mit anderen Menschen. Im Kontakt mit anderen fällt den Betroffenen häufig auf, dass es immer wieder zu Schwierigkeiten kommt. Auf der anderen Seite erleben wir gerade die Patient*innen mit BPD oft als besonders kreative und ideenreiche Menschen, intelligent und mit einer starken Ausstrahlung.“
„Begleitet werden diese Achterbahnfahrten von Stimmungsschwankungen, Wutausbrüchen und Angst. Viele berichten in den Tiefs auch über eine innere Leere, die kaum auszuhalten sei. Zudem neigen Betroffene zu impulsivem, unüberlegtem und riskantem Verhalten. Das wiederum erhöht das Risiko für Unfälle, Suchtmittelmissbrauch und so weiter.
Auch selbst verletzendes Verhalten kommt vor – jedoch nicht so häufig, wie es in vielen Medien gezeigt und dramatisiert wird. Und selbst verletzendes Verhalten kommt durchaus auch bei anderen psychischen Erkrankungen vor“, so Katharina Falk.
„Einen direkten Marker oder ein typisches Symptom für BPD gibt es nicht. An erster Stelle muss in der Klinik deshalb eine gründliche Diagnostik stehen. Wir warnen davor, sich die Diagnose selbst zu stellen oder unbegleitet Internet-Tests zu verwenden. Wir sehen es in der Klinik häufig, dass eine selbst gestellte Diagnose ‚BPD‘ gar nicht richtig ist oder aber, dass es erhebliche seelische Begleiterkrankungen gibt, die in der Therapie berücksichtigt werden müssen“, ergänzt Sara Andresen, Oberärztin der Psychosomatischen Abteilung der Fachklinik.
Zahlen, Fakten und Risikofaktoren für BPD
Etwa 2-3 Prozent der Bevölkerung sind von der BPD betroffen.
Bezogen auf die deutsche Bevölkerung sind dies etwa 1,5 Millionen Betroffene.
BPD tritt bei beiden Geschlechtern auf, wobei sich mehr Frauen in eine Therapie begeben, diese sind in Statistiken daher häufig überrepräsentiert.
Die ersten Symptome der BPD zeigen sich oft im Jugendalter oder im frühen Erwachsenenalter.
Etwa 80 von 100 Betroffenen (=80 Prozent) mit BPD haben weitere seelische Störungen wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen oder Substanzmissbrauch / Suchterkrankungen.
Als Risikofaktoren für das Entwickeln einer BPD gelten heute insbesondere "chaotische und negative Lebenserfahrungen“ in der Familie, in der man aufwächst (=Primärfamilie, nicht immer sind dies die biologischen Eltern), wie
- traumatisches Verlassenwerden
- Verlust der Hauptbezugsperson in der Familie
- schwere Erziehungsdefizite
- Gewalt, Missbrauch und/oder Vernachlässigung in der Kindheit
- Mobbingerfahrungen
Dies alles erhöht das Risiko für BPD. Auch „psychische Gewalt“ gehört zu den Risikofaktoren für BPD.
Dauer der Erkrankung: Die Störung kann – vor allem unbehandelt – chronisch verlaufen. Mit geeigneter Therapie und Unterstützung können sich die Symptome jedoch im Laufe der Zeit verbessern.
(Quelle: S3-Leitlinie Borderline-Persönlichkeitsstörung https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-015 )
Weiterlesen? Auf der Seite “Diagnosen und Therapien” gibt es weitere Informationen, auch für Angehörige.